Nicht erst die Corona-Zeit hat uns Menschen in eine tiefe Krise geführt. Sie wurde nur sichtbarer und kann nicht mehr ignoriert werden. Schon lange vorher konnte jeder von uns beobachten wie der einseitige Fokus auf den verstandesorientierten Materialismus und dem Wachstumszwang erlegenen Kapitalismus unsere Erde enorm belastet und viele Menschen psychisch wie körperlich ausbrennt. Wir alle spüren, dass der momentane kollektive Kurs eine Neuausrichtung braucht und sind auf der Suche nach Sinnhaftigkeit und nachhaltige, neue Wege.
Erschwert wird diese Neuausrichtung durch die moderne „Eigenart“ die unsichtbaren Ebenen des Seins größtenteils zu negieren. Wie kann eine Ökologie einen Naturraum unterstützen, in welche diese Natur nicht auch mit ihren seelischen Bedürfnissen wahrgenommen wird? Wie kann wirkliche Nachhaltigkeit aussehen? Um es auf unser tägliches Leben zu übertragen: Wie können wir Menschen zu Ausgeglichenheit, Zentriertheit und zu unseren inneren Kraftquellen finden, wenn unser Außen – sei es wie unsere Häuser gebaut oder Dörfer und Städte konzipiert werden – nicht ebenfalls diese für uns wichtigen Qualitäten widerspiegeln?
Vom Verlust der Mitte
Das australische Volk der Achilpa bewahrte lange Zeit einen für sie heiligen Baumstamm auf, den sie von ihren göttlichen Ahnen empfangen haben sollen. Er wurde auf Reisen immer mit sich geführt und befragt in welche Richtung der Weg gehen sollte. Als eines Tages dieses heilige Holz zerbrach, verlor der Stamm die Orientierung. Zerwürfnisse untereinander traten auf und zuletzt legten sie sich einfach auf die Erde und erwarteten ihren Tod. Mit dem Verlust ihrer alles verbindenden Mitte, so erklärt der Religionsphiliosoph Mircea Eliade, verloren die Achilpa den Kontakt zu ihren Ahnengeistern, vergaßen den Sinn ihres Lebens und ihrer Landschaft und stürzten ins Chaos.
Viele ähnliche Geschichten werden erzählt vom Verlust der Mitte. Mal ist es ein besonderer Gegenstand, mal ein Bauwerk oder ein Ort – immer wieder warnen die Geschichten vor dem auftretenden Chaos beim Verlust der Mitte.
Leben auch wir momentan in einer Gesellschaft ohne Mitte? Ist dies der Grund warum auch wir scheinbar die Orientierung verloren haben?
Vom Bewahren der Mitte
Traditionell war es u.a. die Geomantie, welche die Erde schon immer als lebendigen Organismus verstand, in dem alles miteinander verbunden ist. Mit den Steinkreisen, Kathedralen und historischen Stadtanlagen hat die europäische Geomantie Stätten von einzigartiger Kraft, Atmosphäre und Spiritualität hinterlassen. Doch ihre ureigenste Aufgabe war schon immer, das „verlorene Paradies“ durch vertiefte Kulturtechniken wieder neu zu schaffen oder zumindest die Anbindung daran zu erhalten.
Eine der wichtigsten dieser Kulturtechniken ist die Mitte-Arbeit. Kein geomantisch konzipiertes Bauwerk, Landschaftspark und keine Stadtanlage kommt ohne das Markieren, Hüten, Herausarbeiten oder Verehren der Mitte aus. Aus dieser Mitte heraus entsteht die Peripherie und innerhalb dieser befinden sich alle Facetten des Lebens. Die Mitte besitzt eine außergewöhnliche, spirituelle Strahlkraft und gleichzeitig führt sie tief ins eigene Innere. Dementsprechend galt sie schon immer auch als großes Mysterium.
Die frühen Kulturen bis noch hinein ins Mittelalter suchten diese Orte der Mitte auf, weil sie spürten, dass sie hier Anbindung an einen archäischen, paradiesischen Ur-Zustand erfuhren und an ihren Ursprung erinnert werden konnten. In der Antike waren es die so genannten „Omphalos-Orte“ wie Delphi in Griechenland, welche als „Nabel der Welt“ die Schicksale ganzer Völker beeinflussen konnten. Eine Stadt wie Karlsruhe wurde gebaut, weil ein Visionär unter einem markanten alten Baum schlief und dort im Traum den Auftrag empfing diesen Baum zur Mitte der Stadt zu machen. Jeder Sakralbau entsteht aus der Mitte heraus. Hier befindet sich die Axis Mundi, die Weltenachse, und gleichzeitig das Herz des Bauwerkes.
Von einer neuen Kultur der Mitte
„Eine lebendige Kunst wiederholt nicht die Werke der Vergangenheit. Sie setzt sie fort.“ – Auguste Rodin
Ein großes Anliegen der Geokultur ist es nicht nur die alten geomantischen, für uns oft sehr heilsamen Orte der Mitte aufzusuchen, sondern auch neue Orte der Mitte zu planen, gestalten und erlebbar zu machen. Dies ist aber nur möglich, wenn wir als geokulturell tätige Menschen mit unserer eigenen Mitte im Kontakt sind und uns wagen dieses Mysterium des Seins zu ergründen.
Die alma mundi AKADEMIE bietet daher die vierteilige Online-Schulung „Ontokultur – Vom Mysterium der Mitte“ an. Die Vision: Wir als Menschen leben und werden reif für einen würdevollen, überkulturellen Umgang mit unserem gemeinsamen Lebensursprung – der Mitte.
Ontokultur – Vom Mysterium der Mitte
(Vierteilige Online-Schulung)
Termine: 5. / 6. / 18. / 19. Februar 2021
Ort: Online-Plattform Zoom, per Einladungs-Link nach Anmeldung
Kosten: 115 € inkl. MwSt. (oder je 35 € bei Buchung einzelner Teile)
Leitung: Christin Lange & Pascal Zielke
Die Inhalte im Überblick:
Ontokultur 1 – Die Mitte des Menschen
Ontokultur 2 – Die Mitte des Hauses
Ontokultur 3 – Die Mitte von Stadt und Landschaft
Ontokultur 4 – Die Mitte im Sakralbau
Anmeldung und Infos zur gesamten Schulungsreihe: LINK